Inzwischen ist ein Monat vergangen, seitdem ich mein Hab und Gut für zehn Tage abgegeben habe. Man gibt alles Materielle ab als ersten Schritt um langsam sein Ego aufzulösen, denn das Ego identifiziert sich mit allem Materiellen. Deshalb unsere Sehnsucht nach mehr, nach mehr Dingen an denen wir uns festklammern können, entsteht alleine durch unser Ego. Man braucht nicht viel zum Leben: etwas zum Anziehen, nicht mal viel, man kann ja waschen, etwas zum Duschen und Zähne putzen, Essen und Bett bekommen wir dort.
Der Vipassana Kurs basiert auf Spendenbasis, am Ende bezahlt man so viel wie man kann und will. Wenn wir für den Kurs nicht bezahlen, so können wir auch nichts verlangen: wir können kein weicheres Bett verlangen oder ein größeres Kissen, wir essen das, was es gibt und erlauben uns nicht nach irgendwas zu fragen, was man in jenem Moment gerne hätte.
Nach drei Tagen schweigen, merke ich, welche Macht Worte haben. Mir fällt das Schweigen von Anfang an nicht schwer. Ich finde es angenehm, in den Pausen zwischen den Meditationen nicht reden zu müssen, es wäre zu anstrengend, die Erfahrungen während der Meditation mit den anderen zu teilen. Ich staune, wie der Alltag ohne Worte reibungslos abläuft. Jeden Tag hängt eine neue Tafel im Speiseraum, damit wir wissen welcher Tag ist und wie der Ablauf sein wird, der nur minimal von Tag zu Tag verändert wird.
Ich teile das Zimmer mit einer Kroatin, einer Italienerin und einer Finnin. Unser Zusammenleben, wenn man es so nennen kann, verläuft problemlos: ohne Worte, ohne Missverständnisse. Worte erleichtern oft nicht das Zusammenleben, sondern erst durch Worte wird einiges komplizierter. Durch Worte will jeder seinen Willen durchsetzen und seine Vorstellungen, durch die Wort- und Tonwahl wird manches falsch verstanden. Wir reden zu viel und gleichzeitig denken wir zu viel. Wir sind von unserem Kopf gesteuert, oder kann man es Geist nennen?
Zurück zu meinen Mitbewohnerinnen: um vier schlägt der Gong und meine Bettnachbarin, die Finnin, steht als erste auf und geht ins Bad, mein Wecker läutet ca 10 Minuten später, und ich stehe erst auf, als die Finnin zurückkommt, ich zieh mich schnell an, und um wenig Zeit zu verlieren leg ich die Kleider abends schon hin. Da gibt es auch nicht so viel hinzulegen: meistens zieh ich immer dasselbe an, bequeme Kleidung, nicht zu eng, nicht zu ausgeschnitten, nicht zu auffällig (das wird vorgeschrieben). Schnell die Zähne putzen und dann in die Meditationshalle. Die Kroatin und die Italienerin sind die letzten, die aufstehen, ab und zu geht die Italienerin duschen, das finde ich sehr mutig, denn um 4 Uhr ist es mir doch zu früh und zu kalt.
Während der Frühstücks- und Mittagspause treffen wir uns meist wieder im Zimmer zum Ausruhen oder Schlafen (die Kroatin ist immer die erste, die sich hin legt, und wenn sie mal nicht da liegt, dann mach ich mir schon Gedanken darüber, sollte ich aber nicht). Obwohl wir nicht miteinander sprechen und uns ansehen, so kann man die andere erspüren und durch Erfahrung kennen lernen.
Antonine de Saint-Exupéry meinte, "Die Sprache ist die Quelle der Missverständnisse." Deshalb sollten wir vielleicht dem Wort weniger Wichtigkeit geben.
Fortsetzung folgt...
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